Arbeitskreis „Offene Behindertenarbeit für den Landkreis Neustadt/WN und der Stadt Weiden“ zieht Jahresbilanz – Ehrenamtliche gerne willkommen – Viele kreative Lösungen gefunden
Irchenrieth. Eine durchwachsene, aber angesichts der vorhandenen Einschränkungen durch die Corona-Pandemie, dennoch erfreuliche Jahresbilanz – garniert mit einer vorsichtig optimistischen Aufbruchsstimmung: Die hat am Dienstagvormittag der Arbeitskreis (AK) „Offene Behindertenarbeit (OBA) für den Landkreis Neustadt/WN und die Stadt Weiden“ bei seiner Sitzung bei der Abteilung „Offenen Hilfen (OH)“ am Heilpädagogischen Zentrum (HPZ) Irchenrieth gezogen. „Wir stehen in den Startlöchern, wobei die Digitalisierung in allen Bereichen für unsere zu Betreuenden eine der größten Herausforderungen ist. Aber wir haben auch viele kreative Lösungen für unsere tägliche Arbeit gefunden“, sagte OH-Leiterin Martina Grüner.
Sie begrüßte zur turnusmäßigen jährlichen AK-Sitzung die Vertreter der OBA des Allgemeinen Rettungsverbandes (ARV) – Kreisverband Neustadt/WN-Weiden, Dipl.-Sozialwirtin (FH) Lydia Wetzel und Dipl.-Psych. (Univ.) Dr. Carola Preißer, ARV-Bezirksgeschäftsführer Christian Henkens, den Behindertenbeauftragten der Stadt Weiden, Alexander Grundler, und Elisabeth Milazzo von der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (ETUB) Weiden. Die Behindertenbeauftragte des Landkreises Neustadt/WN, Monika Robl, war aus beruflichen Gründen entschuldigt.
„Wir hatten wegen Corona viele Unsicherheitsfaktoren zu bewältigen. Gerade am Anfang der Pandemie erschwerten diese die Arbeit in der OBAN und OH“, brachte es Dr. Preißer in ihrem Jahresbericht auf den Punkt. Sie ging zunächst auf die im Jahr 2020 beim ARV vorhandene Personalstruktur mit fünf hauptamtlichen und sieben ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen ein. Insgesamt 115 Menschen mit dem Schwerpunkt „Körperbehinderung“ hätten die ARV-Angebote genutzt. Es gab demnach 77 Beratungskontakte, die aufgrund Corona jedoch überwiegend telefonisch stattgefunden hätten.
Beratungsschwerpunkte seien, so Dr. Preißer, Informationsvermittlung, leistungsrechtliche Fragen und Fragen zur Lebensgestaltung/psychosozialen Situation gewesen. 61 Freizeit, Bildungs- und Begegnungsmaßnahmen (FFB) mit 175 Stunden seien 2020 durchgeführt worden. Ein Beispiel dafür sei das im Herbst gestartete Programm „Mentoren am Telefon“ gewesen.
Im Bereich „Familienentlastender Dinst (FED)“ habe man 363 Stunden unter umfangreichen Hygienemaßnahmen abgeleistet. „In der Corona-Zeit war dies ein für die Familien sehr wichtig“, sagte die Dipl.-Sozialwirtin, die weiterhin auf die Ehrenamtlichkeit, die Öffentlichkeits- und die Netzwerkarbeit einging. „Wir haben bei unseren Klienten aufgrund fehlender Angebote während der Pandemie emotionale, sprachliche und kognitive Defizite feststellen können. Eine langsame Verbesserung ist inzwischen wieder erkennbar, aber wir sind noch nicht auf dem Stand wie vor Corona“, erklärte sie.
Ein Umstand, den auch ihre HPZ-Kollegin Grüner bestätigte. Sie fügte zudem noch an: „Gerade bei den Online-Angeboten müssen wir beachten und Vorsicht walten lassen, dass die ältere Generation nicht abgehängt wird.“ Sie berichtete in ihrem Verwendungsnachweis für die OH am HPZ Irchenrieth, dass von den aktuell 236 registrierten Familien im letzten Jahr 139 die OH von den hauptamtlichen und rund 78 ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen in Anspruch genommen hätten.
Manche Ehrenamtlichen hätten sich während der Krise verständlicherweise zurückgezogen, aktuell seien 73 im Einsatz. „Trotz Corona haben sich weiterhin neue beworben, wobei wir sie zum Teil wegen der Vorsicht der Familien und wegen der fehlenden Bildungs- und Freizeitangebote vertrösten mussten“, erklärte die OH-Leiterin, die den Besuch der Wasserwacht am Steigenberger See als einen der Höhepunkte nannte. Leider hätten alle inklusiven Projekte ab April 2020 abgesagt werden müssen.
In der momentanen Situation versuche das HPZ, die Familien mit vielen kleinen Angeboten, Einzelbetreuungen und durch Beratung zu unterstützen. 2021 seien nach dem Abschluss der Renovierungsarbeiten im Gruppenhaus I die neuen Räumlichkeiten bezogen worden. Vorausblickend sagte Grüner, dass es ab 2022 keine Erhöhung der Förderung der Fachkraftstellen und der ehrenamtlichen Stellen geben werde.
Ihrer Meinung nach sollte es bei der Betreuung eine Mischform aus hauptamtlich Beschäftigten und ehrenamtlich Tätigen geben, weil Menschen mit Behinderung immer häufiger auffälliges Verhalten zeigen würden. Dafür bräuchte es mehr und eine höhere Förderung. „Wir hoffen sehr, dass die Pandemie bald vorüber geht und wir allen wieder besser gerecht werden können. Sehr erwähnenswert finde ich bei uns die hohe Empathie der Ehrenamtlichen und ihr soziales Engagement und die vielen Menschen, die bereit sind zu helfen. Kleingruppen-Angebote wären sehr wichtig und hilfreich für die Psyche der zu Betreuenden“, so Grüner.
Wünsche, die auch der ARV unterstützt: Denn die Corona-Pandemie gehe weiterhin mit psychischer Belastung und deutlichen Mehrkosten einher. Es würden neue ehrenamtliche Kräfte dringend gesucht. Zudem, so die Verantwortlichen übereinstimmend, sollen die inklusiven Schulprojekte wieder ins Leben gerufen werden, mit denen man seit Beginn im Jahr 2012 rund 3500 Schüler*innen erreicht habe.
Eine Idee, die auch der Behindertenbeauftragte der Stadt Weiden befürwortete. Grundler gab abschließend einen kurzen Überblick über den aktuellen Stand der barrierefreien Innenstadt in Weiden. Das Projekt laufe und werde aktuell auf seine Finanzierbarkeit hin überprüft. Er erhoffe sich bis Ende 2021 einen Stadtratsbeschluss. Er wies weiterhin darauf hin, dass in Weiden für die bevorstehende Bundestagswahl alle Wahllokale barrierefrei zu erreichen seien.